ACHTUNG!
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Der Nord-Zypern -Test
Tag
1 im Zeichen der Geduldsprobe (Dienstag, 10.02.2015)
Stolz wie Bolle, dass ich
es schaffe, ganz pünktlich aus dem Haus zu gehen, stehe ich -
bepackt mit einem großen Rucksack auf dem Rücken und einem kleinen
vor dem Bauch sowie mit ausgedruckter Fahrinfo der BVG an der
Bushaltestelle. Vier Minuten früher als geplant kommt der Bus, der
mich nach Kaulsdorf bringen soll. Es gibt nämlich eine geniale
Verbindung von dort nach Schönefeld. Meine Freude darüber, den zu
schnellen Bus erwischt zu haben, findet ein jähes Ende, als der
Fahrer verkündet, dass er nicht weiterfahren kann, weil die Hönower
Straße wegen Wasserrohrbruchs gesperrt ist. Leichte Panikattacken
erfassen mich, aber ich zwinge mich zur Ruhe und schlage den
umständlicheren Weg zum Flughafen ein in der Hoffnung, dass ich
trotzdem zwei Stunden vor Abflug vor Ort sein werde. Also Tram,
U-Bahn, S-Bahn und nochmal S-Bahn. Es funktioniert und Georg steht
sogar schon mit dem schicken Retrokoffer meines Vaters auf mich
wartend vor dem Flughafengebäude.
Die Abfertigung läuft
völlig reibungslos ab, es piepst noch nicht einmal beim Gang durch
die Schleuse. Laaaangweilig!! Kaum gedacht, naht schon das nächste
unvorhergesehene Ereignis. Nach dem Check in sitzen und sitzen wir
mit gefühlten zweihundert Menschen und bilden eine
Zwangswartegemeinschaft. Die Abflugzeit ist schon längst
verstrichen, als dann endlich der Weg ins Flugzeug freigegeben wird.
Dort erfahren wir, dass sich der Abflug um eine Stunde verzögert
hat, weil es in Istanbul heftig schneit. Tja, was soll man machen,
das ist höhere Gewalt. Hauptsache, wir schaffen unseren
Anschlussflieger noch. Endlich geht’s in die Luft. Schräg vor mir
sitzt ein vermutlich türkischer Mann mit einer Gebetskette in der
Hand und schickt pausenlos Stoßgebete zum Himmel. Soll er mal
machen, wenn ihm nichts passiert, profitieren wir schließlich alle
davon.
Wir werden nach fast drei
Stunden Flug darauf aufmerksam gemacht, dass weiterreisende
Transit-Passagiere an anderer Stelle zur Passkontrolle müssen als
die Inland-Fluggäste und dass wir beim Verlassen des Flugzeuges
Vorsicht beim Benutzen der verschneiten Treppe walten lassen sollen.
So habe ich mir die Ankunft nicht vorgestellt! Wir waten durch eine
wässrige Schneesuppe zum Bus. Die zehn Meter reichen aus, um in
meinen Schuhen ein kaltes Fußbad anzurichten. Felsenfest davon
überzeugt, dass wir zu den Inland-Reisenden gehören (schließlich
ist Nordzypern türkisch), drängle ich Georg zu diesen Schaltern.
Wir haben es eilig, der nächste Flieger geht in 30 Minuten! Wir
stehen dort eine gefühlte Ewigkeit an, sind fast an der Reihe, da
kommt doch einer angeschlendert und erklärt diesen Schalter für
geschlossen. Also rüber in die Nachbarschlange. Tick tack, tick
tack, noch 20 Minuten! Durch Zufall bekommen wir schließlich mit,
dass wir sehr wohl Transit-Passagiere sind! Ach, du Sch.... Zurück
auf Los im Laufschritt und hin zur Passkontolle. Noch 10 Minuten. Der
Beamte hat im Gegensatz zu uns sehr viel Zeit und studiert unsere
Pässe Seite für Seite. Aber auch diese Aufregung erweist sich als
gegenstandslos, wie wir kurz darauf sehen, denn unser Flug wird mit
20 Minuten Verspätung angezeigt. Also warten wir wieder. Georg nutzt
die Zeit und holt sich ein Baguette für ca. 5 €, ich leere die
letzten Reste meiner Obst-Box. Und tatsächlich dürfen wir nach 30
Minuten den Flieger betreten, was aber noch lange nicht heißt, dass
dieser danach abhebt! Es ist lustig zu beobachten, wie der Stewart
die temperamentvollen Insassen zur Ordnung mahnt – Taschen in die
Fächer, hinsetzen, anschnallen. Er wandelt hin und her, auf und ab.
Seine Anweisungen werden ganz brav befolgt, aber nur bis er außer
Sichtweite ist. Kaum hat er sich umgedreht, stehen wieder welche auf,
laufen rum, Gepäckfächer auf und zu. Und der Flieger steht. Aber
nicht wegen den Leuten, sondern weil er noch enteist werden muss. Mit
noch einer Stunde Verspätung erreichen wir dann endlich Lefkosa,
finden auch unseren Hotelshuttle und werden ca. 35 km nach Girne
gefahren durch eine sehr bergige und im Dunkeln geheimnisvolle
Landschaft.
Das Hotel „Altinkaya“
macht rein äußerlich erst einmal einen sehr guten Eindruck.
Wir bekommen einen
Bungalow mit kleinem Vorzimmer (darin Sofa, Tisch, Stühle,
Kühlschrank, Fernseher), Schlafzimmer und Bad. Weil wir riesigen
Hunger haben, wird uns, obwohl es schon 23.30 Uhr Ortszeit ist, ein
ebenso riesiges Käseomelett mit gaaaanz viel Pommes serviert.
Der Hotelboy leistet uns Gesellschaft und demonstriert uns seine Deutschkenntnisse, indem er laut von 1-100 zählt. Ich berichte ihm von meinen Befürchtungen wegen seitenverkehrtem Autofahren und erfahre, dass man auch Autos mieten kann, die zumindest das Lenkrad wie gewohnt auf der linken Seite haben. Na mal schauen, ob ich es wage. Während des Gesprächs sind die Omelettes und so einige Pommes in unseren Bäuchen verschwunden. Boah! Da hilft nur eins – Bewegung. Wir laufen noch ein Stück als erster Erkundungsgang, müssen aber im Hotel erst mal schauen, wo wir uns befinden, bevor es losgeht.
Auf dem Bild hier drüber sieht man eine Hundeasyl-Station für "obdachlose" Hunde.
Tag 2 im Zeichen der Wanderschaft (Mittwoch, 11.02.2015)
Nach dem gestrigen langen Tag werden mir zwangsweise von Georgs Handywecker die Augen geöffnet. Ich stehe also auf und freue mich aufs Duschen. Gestern getestet und für heiß genug befunden, stehe ich heute frierend in der Duschkabine, der Hebel bis am Anschlag Richtung warmes Wasser, bis ich einsehe, dass es über ein kühles Lauwarm wohl nicht hinausgehen wird. Durch jahrelanges morgendliches Abhärtungsprogramm, Ostseebaden bei 7Grad Luft- und Wassertemperatur und Alpenhütten-Minimalismus-Training gestärkt, kann mir diese unerquickliche Reinigungsaktion nicht die Laune verderben. Georg beschließt, dass Wasser eh nur die Haut austrocknet und beschränkt seinen Badezimmeraufenthalt auf das Wesentliche. Duschen gehört definitiv nicht dazu.
Eine Pfütze unter dem Spülkasten und eine weitere im Vorraum, wo es vom Dach durch die Decke tropft, entdecken wir dann auch noch.
Draußen straft die Sonne die Wettervorhersagen Lügen. Auf unseren Fotos sieht es deshalb auch so aus, als wäre der Sommer ausgebrochen.
Wir schreiten zum Frühstück, das im Überblick sehr vielseitig aussieht. Oliven, Tomaten, Gurken, Feta, Haloumi, Spiegelei, Rührei, gekochte Eier, Weißbrot, eine Art dunkles Brot, in Fett gebackenes Brot, komisch gelbe Butter, Marmelade, Cornflakes, Kuchen, die überall gleiche undefinierbare Wurst, Joghurt.
Dazu Tee und Milch, Kaffee in Pulverform zum Aufgießen. Es ist nicht unbedingt Gourmet-verdächtig, aber wir werden satt. Georg beanstandet an der Rezeption die baulichen Mängel und es wird sofortige Abhilfe versprochen.
Heute steht die Inaugenscheinnahme von Girne auf dem Programm. Den Weg zur Altstadt haben wir gestern schon ausgekundschaftet. Ein Supermarkt am Wegesrand wird zu unserer bevorzugten Wechselstube. Wenn man dort mit Euro bezahlt, wird einem in YTL herausgegeben. Der Kurs ist sogar minimal besser als in den Banken und vor allem fällt die Gebühr weg.
Vorbei an einer Moschee und Zitronenbäumen,
muss man auch als Fußgänger höllisch aufpassen beim Überqueren der Straße, da ja die Autos aus der „falschen“ Richtung kommen.
Wenn man aufmerksam ist, fallen einem viele Details auf. Reich verzierte Haustüren mit schönen alten Türklopfern,
exotische Bäume und Blüten,
unglaublich hohe Bordsteinkanten, kleine Gassen, mehr Friseurgeschäfte als Menschen (sogar in einer Tankstelle), herumstreunende Hunde, die Autos beißen und anbellen, aber unaufgeregt geduldet werden, Luxus neben marodem Charme.
exotische Bäume und Blüten,
unglaublich hohe Bordsteinkanten, kleine Gassen, mehr Friseurgeschäfte als Menschen (sogar in einer Tankstelle), herumstreunende Hunde, die Autos beißen und anbellen, aber unaufgeregt geduldet werden, Luxus neben marodem Charme.
Wir kaufen Eintrittskarten für die Festung und halten uns dort ziemlich lange auf. Ist sehr sehenswert mit vielen Treppen, Nischen, Türmen, Ausstellungen und Ausblicken auf Hafen und Berge.
Auf dem nächsten Foto zeige ich auf ein weiteres Ziel des heutigen Tages, die Berge.
Vorher durchforsten wir aber noch die Altstadt, bis wir das Gefühl haben, alle Gassen durchschritten zu haben.
Aber bevor wir die Höhen erklimmen, stärken wir uns mit einem köstlichen Mahl und extrem leckeren schwarzen Tee.
Georg manövriert uns anschließend auf verschlungenen Wegen durch sehr abseitige Viertel in Richtung Berge, bis wir tatsächlich einen richtigen Wanderweg finden.
Unser Ausflug wird belohnt durch einen wunderschönen Blick über die Stadt und das Meer. Die aufziehende Dämmerung trägt wesentlich zum Stimmungsbild bei.
Auf dem Rückweg zum Hotel – begleitet vom eindringlichen Ruf des Muezzins - nehmen wir den Supermarkt etwas genauer unter die Lupe. Es ist immer interessant, was sich so in ausländischen Regalen befindet.
Gespannt betreten wir am Ende des Tages unseren Bungalow und stellen fest, dass alles unverändert kaputt ist. Da Georg aufgrund seiner besseren Sprachkenntnisse auch der bessere Verhandlungspartner ist, geht er sich beschweren. Die Frau an der Rezeption war „entsetzt“, dass nichts repariert wurde und bietet uns einen anderen Bungalow nebenan zum Tausch an, der unserem wie ein Zwillingsbruder gleicht, allerdings ohne Pfützen. Wir ziehen um und sind zufrieden.
Tag
3 im Zeichen der versehentlichen Wanderschaft (Donnerstag,
12.02.2015)
Hier
ticken die Uhren im wahrsten Sinne des Wortes anders, die Zeit eilt
unserer MEZ eine Stunde voraus. Das merken wir vor allem morgens,
wenn wir mit einem halbgeöffneten Auge unsere Handys anstarren. Was?
Schon so spät? Erschwerend kommt hinzu, dass die Vorhänge als
Sichtschutz zwingend zugezogen sein müssen und es somit zu jeder
Tageszeit zappenduster ist im Zimmer. Heute war es schon so spät
(10:12 Uhr), dass Frühstücken nur noch möglich gewesen wäre, wenn
man auf direktem Weg aus dem Bett zum Büffet gesaust wäre. Georg
hat es geschafft, ich habs erst gar nicht versucht und bin lieber
duschen gegangen, heute sogar heiß (und anschließend natürlich
kalt). Man darf überall nicht so genau hingucken, vor allem im Bad.
Aber die wichtigsten Funktionen erfüllt es.
Draußen
hängen die Wolken fast im Swimmingpool und spiegeln sich in den
nassen Gehwegplatten. Grund genug, die Regenjacke einzupacken.
Inzwischen ist Georg vom Frühstück zurückgekehrt und wir
beschließen, unseren ursprünglichen Plan, mit dem Bus nach Nikosia
(Lefkosa) zu fahren, auf morgen zu verschieben.
Es
gibt - nur 12 Autominuten bzw. sechs Kilometer von hier entfernt –
eine Abtei namens Bellapais (auf türkisch „Beyerbey“), die in
jedem Reiseführer als sehenswert empfohlen wird. Aufgrund der
fortgeschrittenen Zeit halten wir es für eine gute Idee und für
durchaus machbar, diese Strecke zu Fuß zu bewältigen als
nachmittäglicher Bildungsausflug. Ich gebe das Ziel in meinem Handy
auf Google Maps ein. Die Markierung zeigt einen Weg an, der sich am
Ende in Serpentinen den Berg hinaufzuwinden scheint.
Na
dann wollen wir mal! Mit regelmäßigem Blick auf den kleinen Pfeil,
der mitwandert und uns anzeigt, wo wir uns gerade befinden, tasten
wir uns voran. Zunächst entlang der Straßen, die – je weiter wir
nach oben kommen – von verfallenden Bauruinen, russisch
beschrifteten Nobel-Möbel- und Designerläden bis hin zu Palästen
mit riesigen Parkanlagen hinter vergoldeten Zäunen gesäumt sind.
Schon
ziemlich weit oben, sehen wir in greifbarer Nähe eine alte Ruine,
die verdächtig nach unserem Ziel aussieht. Mein Navi sagt aber, dass
wir dieses noch lange nicht erreicht haben. Wir glauben ihm, denn
erstens sind wir niemals schon sechs Kilometer gelaufen und zweitens
sind wir noch nicht mal ansatzweise zu der Stelle gelangt, an der die
Serpentinen beginnen. Ganz brav sorgen wir dafür, dass der kleine
blaue Pfeil nicht vom vorgeschriebenen Pfad abkommt. An einer Kaserne
vorbei,
wird die Straße enger und steiler. Noch befinden wir uns in
bewohntem Gebiet. Parallel zum Neigungswinkel der Straße steigt
meine hörbare Atemfrequenz, die nur vom gelegentlichen Bellen der
Wachhunde übertönt wird. Irgendwann geht der Teerweg in einen
unbefestigten Geröllweg über und wir passieren ein Schild:
„Beyerbey
parcuru“
Na
also, schlussfolgern wir, hier sind wir auf dem rechten Weg. Bedeutet
parcuru vielleicht parken? Ganz falsch, wie wir schließlich
bemerken. Das heißt „Parcours“! Laut Wikipedia eine
Fortbewegungsart, deren Ziel es ist, nur mit den Fähigkeiten des
eigenen Körpers möglichst effizient von Punkt A zu Punkt B zu
gelangen.
Und genau das tun wir jetzt. Es geht nun hoch hinauf in das
Besparmak- (Fünf-Finger-) Gebirge. Ein Fuß vor den anderen. Viele
schöne Ausblicke belohnen uns immer wieder.
Wir
bestaunen die ungewohnte Vegetation und machen unzählige Fotos, die
zu erkennen geben, dass die Häuser von Girne immer kleiner werden
und das Meer immer blauer.
Die letzten Kurven zählen wir und freuen
uns auf den Moment, wo sich vor unseren Augen der Anblick der Abtei
auftun wird. Vergeblich. Was wir sehen, sind Berge und Wege, wie
schon seit zwei Stunden.
Langsam
geht uns ein Licht auf, dass die Abtei wohl doch dieses Bauwerk am
Fuß des Berges gewesen sein muss. Aber wir bereuen unseren Irrweg
auf keinen Fall, dessen Schönheit uns sonst vorenthalten geblieben
wäre. Natürlich statten wir Bellapais dann doch noch einen Besuch
ab.
Sie befindet sich in einem ganz niedlichen Vorort von Girne mit
italienischem Flair und ganz engen Gässchen.
Dort können wir
endlich was essen in einem landestypischen Restaurant, eines der
wenigen, die geöffnet haben. Wir sind die einzigen Gäste und müssen
erst auf uns aufmerksam machen, bis ein altes verhutzeltes Männchen
aus einer Tür rausschaut und langsam nickt auf unsere Frage, ob wir
hier unseren Hunger stillen können. Einrichtung und Deko scheinen
noch älter als der Wirt zu sein. Er lächelt uns immer freundlich an
und hat die Ruhe weg. Wir bestellen mit Käse gefüllte Teigtaschen
und gefüllte Weinblätter. Als Nachtisch spendiert er uns ein
kleines warmes, sehr süßes Gebäck.
Und
nun zurück zum Hotel, natürlich auf einem anderen Weg. Wir laufen
intuitiv, denn die Richtung ist klar. Auch jetzt verändern sich die
Häuser entsprechend ihrer Lage, nur in umgekehrter Reihenfolge.
Zunächst noch mondän und in luxuriöser Einzellage, dann etwas
kleiner, weiter unten Reihenhäuser und schließlich ein bisschen
verwahrlost.
Gegen 18 Uhr sind wir wieder „zu Hause“ und haben
nach ca. 23 km Ruhe verdient! Was wir aber noch machen müssen: den
Wecker stellen.
Tag
4 im Zeichen der nassen Füße (Freitag, 13.02.2015)
Letzte
Nacht wurde ich wach, weil der Regen mit ohrenbetäubendem Lärm auf
das Dach unseres Bungalows prasselte und der Wind um die Ecken pfiff.
Solange es am Morgen nicht so schüttet, dachte ich, kann mir das ja
egal sein.
Nun
ist es Morgen und es ist mir nicht mehr egal, weil der Regen
unverändert gegen die Fenster und Hauswände peitscht. Auf dem
kurzen Weg zum Frühstücksbüffet habe ich schon nasse Füße
bekommen. Meine Schuld – hätte ja vernünftigeres Schuhwerk
mitnehmen können. Noch haben wir Hoffnung, dass es nachlässt, bis
wir uns auf die Socken machen zum Minibus (Dolmus) nach Lefkosa. Der
Himmel wird auch tatsächlich ein bisschen heller, aber trotzdem
plätschert es weiter von oben und von unten, wenn die Autos neben
uns durch Pfützen fahren. Bis wir den Bus erreicht haben, quitscht
und quatscht das Wasser aus Schuhen und Strümpfen. In weiser
Voraussicht habe ich mir noch ein paar Socken eingesteckt, aber die
Sehnsucht nach trockenen Schuhen ist groß. Da aber der Bus nach
Lefkosa schon dasteht, verschiebe ich mein Vorhaben. Wir steigen ein,
zahlen 10 YTL (ca. 3 €) und los geht die Fahrt. Unterwegs, auch
entlang der Schnellstraße, stehen an imaginären Haltestellen immer
wieder mal Leute und steigen zu, wer aussteigen möchte, gibt dem
Fahrer ein Zeichen. Ganz unkompliziert. Es gibt auch keinen Fahrplan,
die Kleinbusse fahren ca. alle 15 Minuten. Nach 30 Minuten sind wir
am Ziel.
Inzwischen
hat mein Wunsch nach trockenen Füßen merklich zugenommen. Das
nächste Schuhgeschäft ist meins! Dazwischen liegt aber noch so
manche Sehenswürdigkeit. Erst einmal holen wir uns in der
Tourist-Information
einen Stadtplan und entdecken gleich quer über
die Straße den ersten Programmpunkt. Hier befindet sich ein Haus des
Mevlevi-Ordens aus ottomanischer Zeit, in dem sich Derwische trafen
und tanzten. Viele sind auch hier begraben.
Georg
hat diesen Ausflug sehr gut vorbereitet und sich Stichpunkte gemacht,
was wir uns sonst noch alles anschauen müssten.
Es gibt hier so
viele bedeutende historische Orte und Bauwerke, dass wir nicht alles
schaffen werden. Das nächste Highlight ist ein soziales
Wohnungsbauprojekt aus den 20er Jahren. Viele symmetrisch angeordnete
Gassen verbinden kleine Reihenhäuser, die wie eine idyllische
Enklave anmuten.
Und
schon haben wir auch eine über die Grenzen Zyperns hinaus bedeutende
historische Herberge namens Büyüt Great Khan gefunden. Eine sehr
romantische und interessante Anlage, natürlich mittlerweile als
Touristenattraktion hergerichtet, aber nicht aufdringlich. Man kann
hier ganz viel entdecken. Es ist ein riesiger Hof, eingerahmt von
einem zweigeschossigen Haus mit Balustraden ringsrum. Von diesen
Wandelgängen gehen dann die Zimmer ab. Es gibt auch etliche kleine
Läden, aber leider kein Schuhgeschäft.
Mittlerweile
beherrschen mich meine nassen Füße dermaßen, dass mein Fokus
ausschließlich auf Schuhläden gerichtet ist. Aber entweder ist mir
das Angebot zu unpassend (Stoffschuhe), zu glitzernd und hochhackig
(Zickenschuhe) oder zu derb (Männerschuhe). Mal zu bunt, mal zu
breit, mal zu flach. Georg übt sich in Geduld und denkt sich
vermutlich seinen Teil. So ganz nebenbei wandern wir dabei durch
viele alte Gassen und den kleinen Souk.
Zum Wärmebedürfnis gesellt
sich der Hunger. Aber ich kann mir nicht vorstellen, nassfüßig zu
essen! Endlich sehe ich ein paar Schuhe, die ich für akzeptabel
befinde, behalte sie natürlich gleich an und entsorge die
Schwimmflossen in den nächsten Papierkorb.
Nun aber ran an den Käse
auf Pitabrot! Dazu türkischen Kaffee und die Welt ist wieder in
Ordnung.
Inzwischen
bewegt sich die Uhrzeit auf 16 Uhr zu und wir haben noch viel vor!
Erst
mal die Seite wechseln. Wenn wir schon mal hier sind, wollen wir auch
die griechische Seite begutachten. Am türkischen Checkpoint
bekommen
wir einen Stempel in den Pass, am griechischen wird derselbe dafür
eingescannt. Ohne Probleme befinden wir uns nun in Nikosia und haben
das Gefühl, dass es hier etwas ordentlicher zugeht. Ein Hauch von
italienischem Flair weht uns an, aber auch hier gibt es viele
verlassene Häuser, die schon mal bessere Zeiten gesehen haben.
Als
die Dämmerung einsetzt, überschreiten wir die Grenze wieder zurück
und streben auf die ehemalige Sophien-Kathedrale zu, die später zu
einer Moschee umfunktioniert wurde. Ein imposantes Bauwerk, das man
sogar betreten darf. Natürlich ohne Schuhe. Ich habe keine Lust,
meine gerade geschnürten Neuerwerbungen wieder abzustreifen, aber
Georg nutzt die Chance und schaut sich die Moschee von innen an.
Währenddessen übe ich mich draußen in Detailfotografie.
Langsam
bewegen wir uns dann wieder in Richtung Bus, aber nicht auf direktem
Weg, so dass wir durch sehr verfallene Viertel kommen. Es ist ein
trauriger Anblick und man wundert sich öfter, dass in manchen
Häusern, die aussehen, als würden sie den nächsten Regen nicht
mehr überstehen, teilweise noch Leute wohnen. Aber es gibt auch
wunderschön sanierte Gebäude, die einen Eindruck vermitteln, wie so
ein Haus auch aussehen kann.
Sehr arbeitnehmerfreundlich finde ich auch die Öffnungszeiten dieser Bibliothek:
Wieder
in Girne angekommen, besuchen wir das Café St. George und schlagen
uns die Bäuche voll mit Halloumi, Bohnen in Backkartoffeln und
Salat.
Ein
anschließender Verdauungsspaziergang am Hafen entlang beglückt mich
mit einer kalten Dusche. Es ist sehr stürmisch und eine Welle
schwappt über die Kaimauer genau an der Stelle, wo ich gerade
langlaufe. Diesmal bleiben die Füße aber trocken. Die Festung
erstrahlt in warmer Beleuchtung und wirkt ziemlich trutzig und fast
ein bisschen bedrohlich.
Bemerkenswert finden wir auch dieses Schaufenster.
Bemerkenswert finden wir auch dieses Schaufenster.
Zurück
in unserer Ferienwohnung, staunen wir über die ordentlich
hergerichteten Betten und nehmen sie auch gleich in Beschlag.
Plan
für morgen: Fahrt nach Famagusta.
Tag
5 im Zeichen der Kirchen (Samstag, 14.02.2015)
Bevor
ich mit dem heutigen Tag fortfahre, muss ich von gestern noch etwas
ergänzen. Als wir den griechischen Teil von Nikosia besucht haben,
schlenderten wir bei der Gelegenheit durch einen Supermarkt, um mal
die Preise zu vergleichen. Lebensmittel sind zum größten Teil um
das Dreifache teurer als in Deutschland! Hier in Nordzypern sind die
Preise denen bei uns ähnlich. Auch in den Restaurants. Pizza 5 €,
Tee 1,80 €, Salat mit Haloumi ca. 6 €.
Nun
zum heutigen Tag. Der morgendliche Ablauf ist bei uns immer der
Gleiche. Ich stehe zuerst auf, gehe duschen. Dann wecke ich Georg.
Wir gehen gemeinsam frühstücken, danach duscht Georg. Da wir heute
nach Famagusta wollen und der Bus zu jeder vollen Stunde abfährt,
wie wir an der Rezeption in Erfahrung gebracht haben, stehen wir ein
bisschen unter Zeitdruck. Nein. Falsch. ICH stehe unter Zeitdruck.
Georg hat die Ruhe weg und macht sich ein bisschen über mich lustig.
Erstens hätten wir noch viel Zeit und zweitens würden die Busse
sowieso nicht pünktlich abfahren. Ich habe den Eindruck, dass er
sein Körperpflegeprogramm nun extra betont lässig abwickelt. Ok.
Dann setze ich mich eben in die Sonne und fotografiere und lese ein
bisschen.
Schließlich
ist auch Georg irgendwann ausgehbereit. Da wir keine YTL mehr haben,
nutzen wir wieder unseren Supermarkt schamlos für unsere Zwecke aus
und bezahlen eine Flasche Wasser mit 50 €. Die Kassiererin ist
wenig begeistert, rechnet mit dem Taschenrechner hin und her, aber am
Ende stimmt alles. 10:42 Uhr verlassen wir den Laden mit neuer Ladung
Lira. 11:00 Uhr fährt unser Bus in der Altstadt los. 11:02 Uhr sind
wir da. Kein Bus nach Famagusta. 11:10 Uhr fragt Georg einen
Kassierer. Wir erfahren, dass wir an der falschen Haltestelle stehen.
Bus weg. Was nützt es, sich aufzuregen, dann fahren wir eben um
12:00 Uhr.
Die
Straße, die wir entlangfahren, schlängelt sich über den Bergpass
Richtung Ostküste, wo sich unser Ziel befindet. Ich schaue schon mal
ein bisschen genauer hin, denn morgen wollen wir mit dem Auto auch in
diese Richtung. Nach etwas mehr als einer Stunde sind wir da und
stehen schon direkt vor der nach fast komplett erhaltenen Stadtmauer.
Die Altstadt ist über eine Brücke durch eine Toreinfahrt zu
erreichen. Ein imposantes Bauwerk! Man kann sich sehr gut vorstellen,
dass im Mittelalter diese Festung schwer einzunehmen war.
Auch
hinter den Mauern wird man förmlich von der Geschichte angesprungen,
eine Sehenswürdigkeit jagt die andere. Das Besondere an Famagusta
ist, dass es fast nur Kirchen sind, die zum Betrachten einladen und
allesamt schon durch ihren Anblick vermitteln, dass sie diese
Würdigung mehr als verdient haben. Zu gerne würde ich vor 500
Jahren mal durch die Gassen laufen und die mittlerweile größtenteils
zu Ruinen verfallenen religiösen Stätten in voller Funktion
erleben. Das mittelalterliche Leben war bestimmt sehr hart und
grausam, noch heute weht so ein Hauch von Düsternis durch die
Gemäuer. Natürlich gibt es auch das ganz normale Leben hier mit
vielen Touristen, Souvenirläden, Restaurants usw. Aber diese Stadt
hat was ganz besonderes durch ihre Vielfalt historischer Stätten auf
kleinem Raum.
Georg
bleibt gleich in einem Second-Hand-Plattenladen hängen und entdeckt
eine Kostbarkeit nach der anderen.
Die Schallplattencover sind nicht
in bestem Zustand und es ist anzunehmen, dass der Ladenbesitzer froh
ist, endlich mal so einen Schwung loszuwerden. Aber von völlig
übertriebenen 20 YTL pro Platte ist er nicht abzubringen. Georg
sieht das locker und stellt fast alle zurück. Nur drei Platten mit
türkischer Musik bleiben dann übrig, denn die bekommt man in Berlin
dann doch nicht so oft. Ich versuche noch zu handeln, doch er lässt
sich auf keinen Kompromiss ein.
Nun
beginnt die Kirchentour. Es gibt so viele von den verschiedensten
Orden, Glaubensrichtungen und Heiligen, dass der Ort mal so eine Art
Grabeskirche war. Ein Nebeneinander, das ja irgendwie funktioniert
haben muss.
Die
größte und am besten erhaltene ist die St. Nikolas-Kathedrale, die
wie auch schon gestern die Sophien-Kathedrale in eine Moschee (von
Touristen betretbar) umfunktioniert wurde. Heute mache ich mir die
Mühe, meine Schuhe auszuziehen und wandle mit vielen anderen,
hauptsächlich Deutschen, auf dem kühlen Teppich. Das Gestühl wurde
entfernt, weswegen alles viel größer wirkt.
Draußen
auf dem Platz steht ein Baum, der genauso alt sein soll wie die
Kathedrale. Er hat einen Namen, der mir nicht mehr einfällt. Drumrum
viele Katzen und herrenlose Hunde, die aber von der Bevölkerung wie
andernorts geduldet und meistens sogar gefüttert werden.
Nun
könnte ich hier noch alle Kirchen aufzählen, die wir heute noch
gesehen haben, lasse das aber – sicher auch
zur Erleichterung des Lesers.
Der
Nachmittag vergeht wie im Fluge. Natürlich haben wir uns zur
Stärkung in einem Restaurant niedergelassen und fühlen uns wie in
Deutschland. Wir sind umzingelt von Busladungen des Klischeerentners
und machen so unsere Beobachtungen. Auf dem Weg zur Toilette muss man
an einer Voliere mit Wellensittichen vorbei, die ein mordsmäßiges
Spektakel veranstalten. Bis auf einen, der im Sterben auf dem Boden
liegt. Kein schöner Anblick, der wenig später dem Gast erspart
bleibt, weil der Vogel mit einer Zeitung zugedeckt wurde.
Nun
arbeiten wir uns wieder Richtung Stadtausgang vor, entdecken dabei diese lustigen Schilder an den Toiletten
und laufen, bis wir
zum letzten Bus nach Girne müssen, ein kleines Stück auf dem Weg im
Mauergraben bis zum Hafen.
Obwohl
wir heute gar nicht so viel geleistet haben, sind wir rechtschaffen
müde und bewegen uns gleich nach Ankunft in Girne ins Hotel.
Und
morgen kommt mein großer Tag – Autofahren im Linksverkehr!
Tag
6 im Zeichen des Linksverkehrs (Sonntag, 15.02.2015)
Heute
ist es nun soweit. Ich komme mir vor, als würde ich zu einer
wichtigen Prüfung schreiten, als wir das Büro der Autovermietung
betreten. Das wird eine Herausforderung für mich, in jeder Hinsicht
seitenverkehrt Auto zu fahren. Die Formalitäten sind schnell
erledigt. 50 € für zwei Tage, Führerschein und Reisepass vorlegen
und schon kann es losgehen. Zunächst entscheide ich mich für
Automatik, weil ich deren Linkssteuerung für unproblematischer halte
als Gangschaltung. Allerdings bin ich schon seit ewigen Zeiten kein
Automatik-Auto gefahren und weiß, dass auch das einer Umgewöhnung
bedarf. Ich kann mich noch gut an unfreiwillige Vollbremsungen
erinnern, wenn sich mein Kupplungsfuß selbstständig machte. Das
würde ja nun noch erschwerend hinzukommen! Der junge Mann spürt
offensichtlich mein Unbehagen und rät mir zu, es doch lieber mit
einem „normalen“ Auto zu versuchen. Überredet. Wir bekommen
einen weißen Honda zugewiesen. Aufgeregt nehme ich meinen Platz
hinter dem Steuer ein, kurzer Check, wo sich was befindet und
Zündschlüssel gedreht. Die Anfahrt mit gezogener Handbremse will
nicht so recht gelingen, aber dieses Problem ist schnell aus der Welt
geschafft. Die ersten 100 Meter zur nächsten Tankstelle sind easy.
Dort steht schon jemand bereit, der mir den Tankvorgang abnimmt. Auch
schön. 25 € für eine halbe Tankfüllung (hier kostet der Liter
1,05 €).
Die
nächsten Kilometer führen uns auf eine schwach frequentierten
Seitenstraße, so dass ich schon mal ein bisschen üben kann.
Ziele
heute: die Burgen Hilarion und Buffavento.
Hilarion
ist nicht weit weg, aber ich muss auf die vierspurige Schnellstraße,
um zum Abzweig zu gelangen und durch einen Kreisverkehr. Nicht
vergessen – ermahne ich mich – links hinein in den Kreisel!
Anfangs greift beim Schalten meine rechte Hand immer mal wieder ins
Leere. Ach, stimmt ja – die linke Hand macht das jetzt! So nach und
nach werden meine Bewegungen koordinierter und das Auto rollt.
Juchhu! Nun muss man auch erwähnen, dass hier sehr zivilisiert und
rücksichtsvoll gefahren wird. Keiner rast unkontrolliert durch die
Gegend, die Geschwindigkeitsbegrenzungen werden größtenteils
eingehalten.
Nun
kommt der Abzweig rechts, ein Straßenschild weist auf die Burg hin.
Wenn man in Deutschland links abbiegen will von einer vierspurigen
Schnellstraße, muss man ja meistens trotzdem erst mal rechts runter
und dann die Straße über- oder unterqueren. Hier kann man direkt
abbiegen. Der Grünstreifen ist unterbrochen, es gibt eine
Abbiegespur. Nun noch den Gegenverkehr beachten, und schon bin ich
auf der Nebenstraße, die - an militärischem Sperrgebiet (wovon es
hier übrigens Unmengen gibt) vorbei – hoch zum Parkplatz unterhalb
der Burg Hilarion führt. Rauf auf den Parkplatz. Puuhh, erste
Prüfung bestanden!
Das
Betreten der Anlage ist kostenpflichtig. Als wir das Kassenhäuschen
betreten, schlägt uns Zigarettenrauch entgegen. Es stört mich
nicht, aber man ist das gar nicht mehr gewöhnt.
Nun
kundschaften wir jede Ecke der riesigen Burganlage aus und haben
damit reichlich zu tun. Man kann gar nicht den Fotoapparat (Handy)
aus der Hand legen, ständig eröffnen sich einem neue,
bewahrenswerte An- und Ausblicke. Die Sicht in alle Richtungen ist
fantastisch. Girne liegt einem zu Füßen und damit auch das
Mittelmeer, aber auch das Hinterland, also das Besparmak-Gebirge ist
weiträumig einsehbar. Beeindruckt steigen wir treppauf treppab,
haben ständig das Gefühl, nicht alles gesehen zu haben. Selbst
innerhalb der Anlage gibt es noch einen Aufstieg, der meine
Atemfrequenz hörbar in die Höhe treibt. Er führt uns zu einer Art
Burg in der Burg, wohin sich früher einer der Besitzer vor Rebellen
zurückgezogen hat. Wir lernen, dass sich mit diesen ganzen
Festungsanlagen, die wir bisher hier bestaunen konnten, das
zypriotische Volk vor den Angriffen der Araber geschützt hat. Hier
hatte offensichtlich das Christentum lange Zeit die Oberhand. Später
kam der englische Einfluss noch hinzu, so dass auch heute noch das
Leben eher gemäßigt europäisch als temperamentvoll südländisch
geprägt ist.
Mich
interessieren ja auch immer außergewöhnliche Pflanzen und Bäume,
von denen man hier eine Vielzahl antrifft. Einige sind auch
beschriftet, so z.B. ein Johannisbrotbaum, Styrax und Azarolaapfel.
Alles ist üppiger und größer, selbst die Brennesseln haben
strauchartige Ausmaße.
Es
dauert 90 Minuten, bis wir das Gefühl haben, in jede Ecke geschaut
zu haben. Zum Abschluss gönnen wir uns in einem sehr spärlich
bestückten Imbiss ein Tässchen türkischen Kaffee und genießen ihn
schlückchenweise auf dem dazugehörigen Balkon mit grandioser
Aussicht aufs Meer. Wie für uns dorthin gezaubert schimmert uns ein
Regenbogen über dem Wasser entgegen.
Diese
Sehenswürdigkeit scheint ein beliebtes Ausflugsziel für deutsche
Reisegesellschaften zu sein. So geballt wie hier sind uns noch
nirgendwo deutsche Satzfetzen um die Ohren gewabert. Oft sieht man es
auch einfach, dass es Deutsche sind.
Wir
schlendern – mit neuen bereichernden Eindrücken bestückt, zurück
zu unserem Auto. Nun folgt Teil 2 der Prüfung. Die Zufahrt runter
auf die Schnellstraße ist ja einfach, aber die muss ich erstens
wieder queren, um auf die linke Seite zu kommen und zweitens wissen
wir nur die ungefähre Richtung zur nächsten Burg namens Buffavento.
Entgegen den Beschreibungen in einschlägigen Reiseberichten
entdecken wir schon nach wenigen Kilometern ein Hinweisschild und ich
biege ihm folgend ab. Hmm, ob das richtig war? Die Straße führt uns
direkt vor ein Kasernentor. Vorsichtshalber kehren wir um, wieder auf
die Schnellstraße, durch einen Kreisverkehr, die Stadt Lefkosa Gott
sei Dank nur streifend und siehe da – wieder ein Wegweiser
„Buffavento“. Jetzt wird es wieder einfach – eine fast leere,
gemütliche Straße, die eine kurze Strecke gemächlich bergauf
führt, bis sie sich, sehr schmal werdend, in steilen Serpentinen
sechs Kilometer den ca. 900 Meter hohen Berg hinauf windet. Georg
gibt ab und zu beunruhigte Laute von sich, während mir das Fahren
fast Spaß macht, bis auf die seltenen Momente, in denen mir ein
Fahrzeug entgegenkommt.
Irgendwann
sind wir oben, in jetzt schon schwindelerregender Höhe. Doch wir
sind noch lange nicht an der Burg angelangt, die man aber jetzt
zumindest schon sieht.
Wir
müssen noch 30 Minuten viele, viele sehr gut ausgebaute Treppen nach
oben steigen, bis die Unterburg in greifbare Nähe gelangt.
Wie
man auf dem Bild schon erkennt, ziehen plötzlich dicke Nebelschwaden
auf, die das gesamte Burgengelände in Watte packen und uns leider
jeglicher Aussicht berauben. Aber trotzdem hat diese Atmosphäre was,
so eine diffuse Mischung aus Gruselfilm mit Caspar David Friedrich.
Diese Anlage wird leider nicht restauratorisch gepflegt, sondern nur
soweit erhalten, dass keine Unfallgefahr droht.
Ab
und an kann man das Meer in schwindelerregender Tiefe erahnen, aber
meistens sehen wir nur Weiß. Wir fragen uns, wie früher die
Versorgung stattgefunden hat. Es musste ja alles hochgetragen werden!
Wie gut ist es, dass wir nicht schon vor 500 Jahren gelebt haben!
Der
Abstieg bringt uns wieder in sonnigere Gefilde.
Nun
müssen wir natürlich bergab mit unserem Auto. Gaaaanz langsam, im
ersten, höchsten zweiten Gang, schleichen wir Kurve für Kurve nach
unten.
Am Straßenrand lungern gehäuft Männer rum mit Gewehren im
Anschlag. Vermutlich sind das Vogeljäger. Wir haben im Reiseführer
gelesen, dass dies hier leider ziemlich häufig als Hobby betrieben
wird, wenn auch verbotenermaßen.
Wir
kommen an verfallenen Häusern vorbei, die nach einer verlassenen
Kaserne aussehen. Ich will die natürlich auch in Augenschein nehmen
und schaue mal hierhin, mal dahin, nur nicht auf die Straße. Und
rums, hängen wir mit dem linken Vorderrad in einem Graben. Ich
bleibe natürlich ganz cool, lege den Rückwärtsgang ein, gebe
ordentlich Gas und schon stehe ich wieder mit allen vier Rädern
ordnungsgemäß auf der Straße.
Die
Rückfahrt ist etwas abenteuerlich. Man nimmt nicht den gleichen Weg,
wenn es sich vermeiden lässt! Deswegen fahren wir über die
Landstraße, durch einige Dörfer durch, in denen ich nie weiß, wie
das jetzt ist mit Links vor Rechts. Vorsichtshalber bleibe ich immer
erst mal stehen und schaue, was passiert. Ein paar mal starre ich
mich mit den anderen Fahrern erwartungsvoll an, bis ich die
Weiterfahrt wage. Lieber so als einen Crash, denke ich.
An
einer Kreuzung müssen wir entscheiden, ob wir nun rechts oder links
abbiegen. Noch während unserer Überlegungen hält ein Auto neben
mir, fragt nach unserem Ziel, ruft: „Follow me!“ und fährt los.
Vor Überraschung finde ich den ersten Gang nicht, versuche wieder,
mit Handbremse anzufahren, schaffe es schließlich, vom Fleck zu
kommen und eile ihm nach. Er führt uns auf kurzem Weg zu der
Schnellstraße nach Girne. Wunderbar. Nun noch runter in den Ort.
Doch wo lang nun zu unserem Hotel? Ich bin überfordert mit
gleichzeitiger Beherrschung des Autos, der Verkehrsregeln und
Orientierung! Kann immer nur maximal zwei Dinge tun! Georg erweist
sich aber als hilfreicher Lotse und wir erreichen auf wundersame
Weise das Hotel.
Nun
haben wir uns aber ein ordentliches Abendbrot verdient, laufen in die
Altstadt und suchen ein passendes Lokal. Der Rückweg führt uns ein
zweites Mal an die Mole zum Leuchtturm. Heute wage ich den Gang nach
vorne, obwohl wieder Wassermassen in unregelmäßigen Abständen über
die Hafenmauer schwappen. Georg belächelt meine Panik vor der kalten
Dusche. Wenn schon, dann nur freiwillig, bitte!
Aber
es klappt, wir werden nicht nass und waren nun auch mal am
Leuchtturm.
Morgen
noch mal ein Autotag nach Iskele und natürlich wieder ein
Burgenbesuch.
Tag
7 im Zeichen des Abschiedes (Montag, 16.02.2015)
Einen
Tag haben wir noch, den wir mit Hilfe des Autos optimal ausnutzen
wollen. Wir planen eine kleine Rundreise von 150 km Richtung
Nordostspitze von Zypern, die wie ein Horn aus der Insel herausragt.
An der Stelle kann man das Mittelmeer rechts- und linksseitig der
Landzunge sehen. Zufälligerweise befindet sich dort die letzte
Bastion des Verteidigungsringes, die Burg Kantara. Sie bildete mit
Hilarion, Buffavento, Bellapais und der Festung von Kyrenia (Girne)
einen Abwehrgürtel gegen feindliche Übergriffe.
Das
Wetter verspricht gute Sicht, unser Auto, in das ich nun heute schon
fast routiniert einsteige, steht erwartungsvoll vor dem Hotel. Die
grobe Richtung ist klar, gestern Abend haben wir auf Google Maps die
Karten studiert und auch im Handy gespeichert. Georg ist also mein
sprechendes Navi.
Na,
dann wollen wir mal.
Wir
fahren auf der Küstenstraße konstant nach Osten, entlang
wunderschöner Aussichten aufs Meer. Die breite Straße schlängelt
sich den Berg hoch. Verkehr ist kaum. Georg merkt nach einer Weile,
dass unser Positionspunkt auf dem Handy erheblich abweicht von der
angezeigten Route, wir hätten uns weiter entlang der Küste bewegen
müssen. Das ist aber nicht dramatisch, schon allein wegen der
Aussicht hat sich dieser Umweg gelohnt. Bei der nächsten Gelegenheit
wenden wir und trudeln wieder nach unten. So langsam macht mir das
Fahren Spaß, meine linke Hand weiß nun, dass sie gefordert ist. Ich
wage sogar zu überholen!
Wir
kommen an wunderschönen Stränden und Buchten vorbei mit
kitschpostkartenblauem Meer und Villen vom Feinsten. Vermutlich tobt
hier im Sommer das Leben.
Die
Burg Kantara ist nun auch ausgeschildert, so dass wir unser Ziel
nicht mehr verfehlen können.
Da
Burgen es so an sich haben, auf den Bergen zu thronen, müssen wir
uns nun wieder eine schmale Bergstraße hocharbeiten. Das Auto
schnurrt, Georg ächzt und umklammert vorsichtshalber den Haltegriff.
Ihm sind die Kurven nicht so ganz geheuer, besonders an den Stellen
mit Blick tief ins Tal. Ich finde es merkwürdigerweise gar nicht
bedrohlich, nur die Möglichkeit, dass mir was entgegenkommen kann,
beunruhigt mich etwas. Doch alles geht gut, irgendwann ist der
Parkplatz erreicht. Zwei Katzen begrüßen uns. Wie sind die denn
hier hoch gekommen?
Wie
immer sind nun noch ein paar Treppen zu steigen, bis wir das Burgtor
erreicht haben.
Der Sage nach spukt hier oben eine Gräfin herum,, in
manchen Nächten sieht man sie hoch oben am Fenster sitzen.
Einheimische sollen sehr einsilbig werden, wenn man sie nach der Burg
befragt und den Besuch derselben meiden.
Wir hingegen erforschen
wieder jeden Winkel und sind schwer beeindruckt von der grandiosen
Aussicht auf die Felsformationen und Wälder der Landzunge,
beidseitig vom Mittelmeer umspült.
Auf
einer Aussichtsplattform umzingelt mich eine lustige türkische
Großfamilie. Ein Großvater kommt mit einer Kamera auf mich zu und
bittet mich auf türkisch, die Familie zu fotografieren. Alle reihen
sich auf zum Gruppenfoto, ich drücke auf den Auslöser und nichts
passiert. Ich gebe mit vollem Körpereinsatz zu verstehen, dass
vermutlich noch die Videofunktion eingestellt ist, ich aber nicht
weiß, wo auf Foto umgestellt wird. Der Großvater weiß es auch
nicht. Großes Rätselraten, alle diskutieren und debattieren, ich
auf denglisch, der Rest auf türkisch. Eine angeregte Konversation
setzt sich in Gang, obwohl keiner des anderen Sprache spricht. Meine
hilflosen Erklärungsversuche, dass ich der Argumentation nicht
folgen kann, verebbten ungehört. Der Großvater kam dann auf die
Idee, jemanden anzurufen, vermutlich den Besitzer der Kamera, der
dann per Ferndiagnose die entsprechenden Anweisungen gab. Es
funktionierte! Nun also zurück auf Start. Alle wieder an ihren Platz
und ich konnte ein schönes Foto machen. Alle waren glücklich und
bedankten sich überschwänglich bei mir. Wir begegneten uns später
nochmal auf der Burg, wo sich die Großmutter mit mir fotografieren
ließ. Nun werde ich also in einem türkischen Familienalbum verewigt
sein!
Die
Abfahrt den Berg hinunter klappt wunderbar, ohne Abrutsch in den
Straßengraben. Wir folgen unserer geplanten Route und haben Iskele
als nächstes Ziel. Eine Zeit lang weisen uns Straßenschilder den
Weg, doch plötzlich fehlt der Ortsname. Etwas irritiert kurven wir
auf Verdacht durch die Straßen eines merkwürdigen Ortes, bis wir
mitbekommen, dass wir uns genau in Iskele befinden. Hier sieht es so
nichtssagend aus, dass wir einfach weiterfahren. Der Kreis unserer
Route beginnt sich zu schließen, wir fahren nun schon wieder in
großem Bogen Richtung Girne. Dazwischen liegt allerdings noch das
Gebirge. Georg entdeckt auf Google Maps eine kleine Querstraße, die
über die Berge führt und drüben auf die Küstenstraße. „Die
nehmen wir!“, entscheide ich und biege rechts ab. Eine Landstraße
führt uns durch idyllische gelbe Rapsfelder und kleine abgelegene
Dörfer, wo Bauern mit wettergegerbten Gesichtern die Schafe
zusammentreiben. Maps meint nun, dass wir links abbiegen müssen. Ich
folge brav den Anweisungen und lande auf einem matschigen Feldweg,
der sich schmal zwischen Berg und abschüssiger Wiese kurvenreich
weiterschlängelt. Wenden kann ich nicht, zu schmal. Und hier
rückwärts fahren – ein Albtraum. Weiter vorne sieht der Weg aus,
als hätte er wieder eine Teerdecke, also kämpfen wir uns durch
Schlamm und über Felsbrocken holpernd vorwärts. Es stellt sich
heraus, dass unser Eindruck eine Fata Morgana war. Der Weg wird nicht
besser.
Es
bleibt mir nichts weiter übrig, als zu wenden. In
Millimeterschritten gelingt mir das und wir rumpeln zurück.
Im Dorf
hinterlassen wir eine beeindruckende Dreckspur und stellen uns den
Autovermieter vor, wie er morgen grübelnd den Honda in Augenschein
nimmt und sich wundern wird, wo wir uns rumgetrieben haben.
Den
Rest der Rundfahrt verbringen wir im Feierabendverkehr auf der
vierspurigen Schnellstraße mit vielen Kreisverkehren und Sonne satt,
blendend von vorne. Somit habe ich den Härtetest bestanden!
Froh,
endlich den Zündschlüssel ziehen zu können und reich an Eindrücken
und Erfahrungen, auf die wir ohne Auto hätten verzichten müssen,
machen wir uns ein letztes Mal auf den Weg in die Altstadt, um in
einem zeltartigen Restaurant am Ende einer Landebrücke zu speisen.
Das
Meer wird abends immer sehr unruhig und die Wellen schlagen auch
heute in hohem Bogen gegen die Scheibe, hinter der wir sitzen. Ein
faszinierendes Spektakel, solange man trocken bleibt.
Der
Kellner bescheinigt mir ein vorzügliches Türkisch, da ich völlig
fehlerfrei das Wort „Chai“ aussprechen kann. Als wir uns dann
verabschieden, will er von uns wissen, was „Thank You“ auf
deutsch heißt. Wir üben ein bisschen mit ihm und er erzählt uns,
dass er eine Schwester in Deutschland hat. Georg fragt ihn, in
welcher Stadt sie denn wohnt. Jetzt kommt er ins Schleudern. Er
überlegt und überlegt und verrät uns dann:
„Two
five!“ Aaaaaha. Jetzt hat er sich aber in eine peinliche Situation
hinein manövriert! Ich baue ihm eine Brücke und sage: „Vielleicht
in Berlin?“ Er strahlt dankbar und nickt: „Ja,ja...Berlin!“
Wir
schlendern durch den Hafen, vorbei an gemütlichen Restaurants mit
Livemusik. Das Wetter lässt es zu, dass man draußen sitzen kann,
auch die Musiker. Überall treffen sich Leute und haben Spaß, auch
am Kai unterhalb der Festungsmauern. Es herrscht eine entspannte
Urlaubsatmosphäre, die wir nun leider verlassen müssen.
Fazit:
viel gesehen, gelernt und erlebt. Das Land ist reich an historisch
bedeutsamen Sehenswürdigkeiten, landschaftlichen Schönheiten,
blühender Natur, unvollendeten Baustellen, verfallenden Häusern,
Villen, Stränden, Einrichtungshäusern am Stadtrand. Die Menschen
sind korrekt, nicht überschwänglich freundlich, aber
rücksichtsvoll, hilfsbereit und nicht aufdringlich. Das Straßennetz
ist gut ausgebaut, die meisten fahren unaufgeregt und halten sich
mehr oder weniger an die Verkehrsregeln. Die Preise sind wie in
Deutschland, nur Benzin ist billiger. Der Alltag ist europäisch
orientiert. Es ist relativ sauber, zumindest auf den ersten Blick.
Der zweite offenbart dann doch so einige Mängel wie schimmlige
Wände, schiefe Toilettenbecken, klemmende Türen etc. Es gibt viele
herumstreunende Hunde und Katzen, um die sich aber rührend gekümmert
wird.
Auf
jeden Fall würde ich noch einmal dort Urlaub machen, dann aber
vielleicht im Sommer!